Der Kontakt zwischen der römischen Welt und anderen Kulturkreisen offenbart faszinierende Phänomene interkultureller Wechselwirkungen.
Im Mittelpunkt dieses überwiegend als Dissertationsprojekt durchgeführten Vorhabens steht eine kritische Reflexion der epistemologischen und methodologischen Rahmenbedingungen für die Erforschung von Kulturkontaktphänomenen in der Antike. Als exemplarischer Fall dient die Untersuchung der sogenannten Romanisierung bzw. Romanisation.
Erste Vorarbeiten gehen auf die M.A.-Arbeit von Dr. Susanne Bosche zurück, die sich mit Berufsdarstellungen in der römischen Provinz Gallia Belgica beschäftigte. Das Hauptprojekt fokussiert die republikanische Zeit in Italien und analysiert dort insbesondere öffentliche Bauten, Heiligtümer und überregionale Regelungen – zentrale Themen der Dissertation von Dr. Bosche, die in der Publikation „Distanzen“ ausführlich behandelt werden. Die im Rahmen dieses Projekts entstandene „Assoziator-Logik“ durchdringt dabei wesentliche archäologische Diskurse.
Die Forschung betont die komplexen Wechselwirkungen sozialer und kultureller Faktoren in der Romanisierungsforschung. Während vielfach wechselseitige Abhängigkeiten anerkannt werden, verbleibt die Trennung der Bereiche in vielen Ansätzen bestehen. Die Studie „Distanzen. Über die Beobachtung von Übermittlungen im republikanischen Italien“ setzt an dieser Debatte an, hinterfragt sie jedoch kritisch und widmet sich der Frage, ob zwischen machtpolitischen Regelungen zwischen Städten (4.–1. Jh. v. Chr.) und der Errichtung öffentlicher Bauten mit politischem Bezug Korrelationen bestehen.
Die Untersuchung basiert auf einer umfangreichen Materialbasis: Über 70 antike Schriftquellen und archäologische Überreste von mehr als 240 Tempeln, Basiliken, Versammlungsorten und Foren wurden systematisch ausgewertet. Im Verlauf der Analyse treten jedoch grundlegende epistemologische Herausforderungen zutage: Fragmentarische Quellenlage und unklare Begriffsauslegungen erschweren nicht nur die sozialhistorische und baugeschichtliche Einordnung, sondern auch die Möglichkeit, wechselseitige Einflüsse zu identifizieren.
Die Arbeit plädiert für einen methodischen Paradigmenwechsel: Das Kernproblem liegt weniger in der Beschaffenheit der Daten, sondern in der Art und Weise, wie diese interpretiert und konzeptualisiert werden. Aufbauend auf dieser Erkenntnis entwickelt das Projekt einen innovativen argumentativen Ansatz, der die material- und methodenorientierten Analysen mit aktuellen Diskursen der archäologischen Wissenschaftstheorie verbindet. So können auch subtilere Interdependenzen, etwa in der Herausbildung sozial-kultureller Strukturen, besser erfasst und nachvollzogen werden.
Publikationen (Auswahl)
S. Bosche, Die Selbstrepräsentation von Handwerkern und Händlern im Grabkontext in der Provinz Gallia Belgica. Aspekte der Vermittlung sozialer Identität in einer multikulturellen Gesellschaft, Daidalos 6 (Heidelberg 2016)
Online verfügbar - PDF herunterladen
S. Bosche, Romanisierung ohne Rom? Überlegungen zum Charakter eines Phänomens. Beitrag zum Kongress „Romanisation – Romanization ?!?“, Heidelberg, 15-17. Dezember 2017 (im Erscheinungsvorgang)
S. Bosche, Im Spannungsfeld von lokaler Planung und überregionalem Kontakt. Zur Genese von Tempelgrundrissen im italischen Raum des späten 4.-frühen 1. Jh. v.u.Z. Beitrag zur Tagung „Italien in hellenistischer Zeit“, Trier, 19.-20. Juli 2019 (im Erscheinungsvorgang)
S. Bosche, Distanzen. über die Beobachtung von Übermittlungen im republikanischen Italien (Diss. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg 2023), DiAuViS Schriftenreihe I (Heidelberg 2023), ‹http://www.ub.uni-heidelberg.de/archiv/33937›
Online verfügbar - PDF herunterladen